Swiss Social Collaboration Summit

ein Bericht von Govinda Hiemer, Berlin

Um mit den exponentiell wachsenden Möglichkeiten der Computer mithalten zu können, meinte einst Prof. Dr. Uli Weinberg vom Hasso Plattner Institut Potsdam, müssten die Menschen anfangen, sich ebenfalls untereinander zu einer Art Internet der Menschheit zu vernetzen. Nur so kann sich die Menschheit ebenfalls exponentiell entwickeln. Dies ist durch Kollaboration zu erreichen sodass sich die 120 Teilnehmer und Teilgeber des Swiss Social Collaboration Summit diesem wesentlichen Punkt der Digitalisierung widmeten.


In der Bananenreiferei in Zürich traten großartige Referenten zu Themen der Kollaboration auf, angefangen mit John Stepper, dem Begründer der Working Out Loud Bewegung. Er fasste verschiedene Konzepte der erfolgreichen Zusammenarbeit zusammen, gab dem einen Namen und stellte alles kostenfrei für jeden zugänglich ins Internet. Daraufhin verbreitete sich WOL über den Globus, vor allem in großen, etablierten Unternehmen. WOL hilft bei einer Entwicklung von Alligatoren bis hin zu sozialen MitarbeiterInnen, die Sinnvolles erschaffen. Denn schon vor 45 Jahren sagte Studs Terkel, dass Menschen einen Sinn in ihrer Arbeit brauchen und heute ist das Thema aktueller denn je. Nur fällt es uns ohne Hilfestellung oft noch schwer, dies zu erreichen. Mit einer praktischen Anwendung der ersten Schritte haben die Teilgebenden des SSCS eine Hilfestellung gleich ausprobieren dürfen und sind jetzt einen Schritt weiter.

Wenn Speaker Slots auf Bar CampsSession treffen entsteht genau das: Inspiration!

Jutta Biehl-Herzfeld, Karlsruhe

Als nächstes Instrument der Zusammenarbeit wurden von Johannes Müller, dem Geschäftsführer von workpath.com, die von Google und Amazon genutzten OKR’s (Objectives & Key Results) eingehender vorgestellt. Diese sollen den Weg aus starren Hierarchien hin zu schnell lernenden Wertschöpfungsnetzwerken ermöglichen. Die Auseinandersetzung der Belegschaft mit den Zielen des Unternehmens fördert die intrinsische Motivation und ein horizontales Bewusstsein. Kurze Iterationen helfen, die in heutigen Tagen benötigte Geschwindigkeit zu erreichen und workpath unterstützt gern bei Bedarf mit Erfahrungen und Software zum Veranschaulichen.


Katharina Krentz gab anschließend Einblicke in die erfolgreiche Vernetzung bei Bosch. WOL hat dabei entscheidend zur gemeinschaftsbasierten Kollaboration beigetragen und der Grundsatz “transparency as default” bietet nun allen Bosch-MitarbeiterInnen Einblick in fast alle Informationen des gesamten Unternehmens. Nur Informationen, die dem Unternehmen bei Freigabe schaden würden, werden als vertraulich deklassiert. Das öffentliche WOL Material wird dabei im Social Intranet um Boschs Bonusmaterial ergänzt, Erfahrungen des Unternehmens werden so als good practices und templates allen MitarbeiterInnen zur Verfügung gestellt, kontinuierlich erweitert und verbessert. So hat sich bei Bosch inzwischen eine mächtige Graswurzelbewegung entwickelt, vom obersten Management lediglich mit Licht gesegnet (denn auch eine Graswurzel braucht Licht von oben).

Grossen Dank ans Orga-Team und die zahlreichen TeilgeberInnen. Durch Euch war Social Collaboration nicht nur Thema, sondern gelebte Praxis am #SSCS18

Michael Bursik, Storytelling Strategist / Content Hacker, Haufe Group, Freiburg


Ein weiterer möglicher Schritt in der Vernetzung der Menschen in einem Unternehmen wurde mit Beyond Leadership von Matthias Mölleney anschaulich vorgestellt, dem Leiter des Centers für Human Resources Management & Leadership an der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Genau da, wo im Unternehmen bislang 40% der zur Verfügung stehenden Energie zur Abwehr der von KollegInnen abgefeuerten “Torpedos” genutzt wurden, weitere 40% in das Abfeuern eigener “Torpedos” auf die KollegInnen investiert und 20% zur Weiterentwicklung der Waffensysteme aufgebracht wurden, soll Beyond Leadership die Kollaboration stärken. Am Gefangenendilemma eingänglich erklärt, wird Vertrauen als notwendiger Bestandteil erfolgreicher Zusammenarbeit benannt. Dafür müssen die MitarbeiterInnen einander kennen und genau hier beginnt Connect!, der erste Schritt von Beyond Leadership. Denn Vertrauen, Respekt und Wertschätzung korrelieren mit dem Erfolg von Arbeitsgruppen und haben einen merklichen Effekt. Als nächsten Schritt wird Beyond Leadership das slovenische Parlament bereichern, die EU hat bereits angekündigt, einen Beobachter zu schicken.

Auf dem Weg von einer sehr guten, aber bislang noch gewöhnlichen Konferenz hin zu einer Unkonferenz hat Britta Pukall, Eigentümerin der milani design & consulting AG, über unsere schulisch erlernte Aversion gegenüber Fehlern erzählt. Auf die Prinzipien des Design Thinking eingehend, hat sie zu Regelbrüchen aufgerufen und daran erinnert, dass man auch Organisationen nur ändert, wenn man bei sich selbst anfängt. Und dann, gut angefüttert mit Eindrücken, ging der Spaß erst so richtig los. An diesem Zeitpunkt wurden TeilnehmerInnen vollends zu Teilgebenden, jeder konnte ein Thema einbringen und in einem sogenannten Barcamp mit Interessierten diskutieren. Mit den ReferentInnen luden insgesamt elf Menschen zur Diskussion unterschiedlicher Themen ein und in unterschiedlich großen Gruppen wurde fleißig gearbeitet und Wissen ausgetauscht. Harald Schirmer hat sogar per Videocall eine Gruppe moderiert und von seinen Erfahrungen aus dem Digitalisierungsprozess der Continental berichtet. Es konnte – unter der Leitung von Michael Bursik, Content Strategist bei der Haufe Group – beim Lego Serious Play mit Lego „gespielt“ werden und dringliche Angelegenheiten der TeilnehmerInnen wurden ebenfalls in Gruppen von 4 bis 25 Teilgebenden diskutiert.

1. Die Teilnehmerstimmen sprechen für sich 2. ...so klingt Begeisterung... 3. Wer mit Begeisterung aus dem Start kommt, kommt mit viel Elan in der Umsetzung an. Viel ERFOLG allen Teilnehmern beim "hinübertragen" in den Alltag!

Christian Munz, Referent Business Architecture & Data Management bei LBBW Landesbank Baden-Württemberg

Beim Mittagessen konnten dann neue Kräfte gesammelt werden und die Gedanken ein wenig verarbeiten, was der Vormittag an neuen Eindrücken gebracht hat. Vor allem die angeregte Auge-Hand-Koordination beim Lego spielen hat verblüffend hungrig gemacht. Die freie Wahl im Restaurant berücksichtigte jeden Geschmack und hatte vielen bisher besuchten Konferenzen einiges Voraus, gerade auch im vegetarischen Angebot.

Nach der Pause ging es im Stil einer klassischen Konferenz erneut mit einer Keynote um Vernetzung und Zusammenarbeit. Alexander Kluge sprach von der Taylorisierung der Arbeit, vom Unterschied zwischen Kooperation und Kollaboration, von Cynefin und der Lösung einfacher, komplizierter und komplexer Probleme. Zum ersten Mal habe ich von conversations als neue currency gehört und auch der Begriff minimum viable hierarchy gefiel mir ausgesprochen gut. Und immer wieder wurde Jenny Meyer zitiert, welche die Dreieinigkeit von skillset, mindset und toolset predigte. Gefolgt von einem Aufruf zum Mutanfall.


Im anschließenden Vortrag bekräftigt Ernesto Izquierdo den Sinn seiner Arbeit mit den Bildern und Geschichten der kürzlich erschossenen Hauwa und Saifura aus Mexiko. Er arbeitet für das IKRK, dem Internationalen Komitee des Rote Kreuz, und stellt eine Plattform vor, mithilfe derer HelferInnen vom Roten Kreuz immer die richtige Ansprechperson für ihre Fragen innerhalb der Organisation finden. Diese von einer künstlichen Intelligenz unterstützen Plattform wird noch vielen Menschen das Leben retten und bringt den Austausch von relevantem Wissen sprunghaft voran. In einer know how map wird das Wissen der MitarbeiterInnen erfasst. Eine starke Community erleichtert die Arbeit der Einzelnen ungemein und als nächstes werden WOL circles die Arbeit der HelferInnen noch weiter unterstützen.

Es war ein toller Event. Danke an das ganze Orga-Team für die super Vorbereitung. Ich fühle mich mega inspiriert.

Beate Beer, Internal Project Manager, Siemens Ganesa

Bevor es in eine weitere Runde einer Unkonferenz, also einem Austausch der Teilgebenden geht, folgen noch zwei Impulsvorträge. Der erste ist von Pascal Dulex aus der Freitag lab.ag. Er erzählt nicht über die Vergangenheit, fasst dabei geschickt in aller Kürze die Geschichte von Freitag zusammen und kumuliert diese im Manifest. Er erzählt von großartigen rererecycling-Geschichten, wirbt fast nebenbei für die derzeit ausgeschriebene Stellung als Executive Vice Pleasident for Global Happiness und erzählt, wie sie das Organigramm verbrannt haben. Vor zwei Jahren haben sie den Schritt in die Holacracy gewagt, einer selbstorganisierten Unternehmensform. Seitdem treffen sie sich regelmäßig mit anderen schweizer Firmen, die nach diesem Konzept arbeiten und tauschen sich nicht nur über Unternehmensgrenzen hinweg aus, sondern erarbeiten auch gemeinsam Lösungen für gemeinsame Probleme. Hier wird ganz klar ein Schritt in Richtung einer Menschheit gegangen, in meinen Augen kann so der Vorsprung der Technik auf- und sogar wieder überholt werden, wenn sich denn ein derartiges Konzept durchsetzt. Holaspirit.com als Softwareunterstützung der Holacracy wird kurz vorgestellt und nach weiteren spannenden Geschichten aus dem Alltag der Freitag lab.ag wird noch Frau Birkenbihl als Vorbild genannt. Ein mitreißender Vortrag!


Der abschließende Vortrag stammt von Hermann Arnold, dem ehemaligen CEO der Haufe-umantis AG. Er hält uns die heutige Gesellschaft des Teilens vor Augen und fragt, warum wir noch nicht bereit sind, auch Führung zu teilen. Er geht auf das Paradox der Sandwich-ManagerInnen ein, die nach unten weiterreichen, was sie von oben erhalten, ohne dies zu reflektieren. Und in seinen Augen sollte Folgen neu gelernt werden, das würde die Entwicklung der Führung deutlich voran treiben. Um das Thema persönlich weiter voran zu bringen, arbeitet er gerade an einem Buch mit dem Titel “Wir sind Chef” und an einem Spiel, das unterschiedliche Führungsbedürfnisse verdeutlichen soll.

Danke für die Einladung, es war mir ein Fest 🙏 Freue mich schon aufs nächste Jahr!

Katharina Krentz, Senior Consultant New Work & Digital Collaboration, Lead Working Out Loud initiative, Robert Bosch GmbH

Voller Input geht es zum Abschluss erneut in Barcamps, alle Teilgebenden verteilen sich in kleinen Gruppen über die gesamte Bananenreiferei. Im Fishbowl-Interview stehen die beiden letzten Referenten, Pascal und Hermann, sowie die SoziologInnen Judith Muster und Finn-Rasmus Bull den Teilgebenden Rede und Antwort. Viele andere kleinere Gruppen beschäftigen sich mit aktuellen Problemen der Teilgebenden und diskutieren über den Inhalt der Vorträge. Danach kommen alle zu ein paar zusammenfassenden und Worten des Dankes zusammen. Ein Getränk des Abschieds und abschließende Gespräche später, und schon ist der Tag um.